ISBN-13: 9783428190102 / Niemiecki / Twarda / 2023 / 441 str.
Der Gewerkschaftsbegriff hat sich historisch funktionsgebunden entwickelt und entzieht sich mithin einer einheitlichen Betrachtung. Die Unternehmensmitbestimmung ist gleichrangiger Gewährleistungsgehalt der kollektiven Koalitionsfreiheit. Aus ihm ergeben sich sodann die Vorgaben für die Ausgestaltung des einfachen Rechts. Für das MitbestG bedeutet dies, dass an dessen Gewerkschaftsbegriff nur diejenigen Anforderungen gestellt werden dürfen, die eine verfassungsgemäße Unternehmensmitbestimmung sicherstellen.Nach dieser Maßgabe ergibt sich im Wege verfassungskonformer Auslegung das folgende mitbestimmungsgesetzliche Begriffsverständnis: Gewerkschaften im Sinne des MitbestG müssen weder tarifwillig sein noch das geltende Tarif-, Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht anerkennen. Das Erfordernis einer organisatorischen Leistungsfähigkeit ist funktional mitbestimmungsrechtlich zu betrachten. Auch einer sozialen Mächtigkeit nach Maßgabe der tarifrechtlichen Anforderungen bedarf es nicht.
Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass die Unternehmensmitbestimmung als gleichrangiges Grundrecht neben der Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG verankert ist, werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Unternehmensmitbestimmung durch das MitbestG herausgearbeitet. Diese bilden sodann die Grundlage der verfassungskonformen Auslegung des mitbestimmungsgesetzlichen Gewerkschaftsbegriffes. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Konzept des »einheitlichen Gewerkschaftsbegriffes«.