ISBN-13: 9783050042350 / Niemiecki / Miękka / 2006 / 228 str.
Diese Studie untersucht, wie deutschsprachige Kinder - im Vergleich zu Erwachsenen - ambige Koordinationen wie "Robert gab Leo ein Buch und Hans eine CD" interpretieren. In der einen Lesart, der eine VP-Koordination zugrunde liegt, erhalt Hans von Robert eine CD. In der alternativen Lesart hingegen, die eine elliptische Satzkoordination darstellt, ubernimmt Hans die Rolle des Gebenden. Ambige Strukturen wie diese eignen sich in besonderer Weise, um Einblicke in die noch weitgehend ungeklarte Entwicklung kindlicher Sprachverarbeitungsmechanismen zu gewinnen. Wahrend Erwachsene aufgrund automatisierter syntaktischer Verarbeitungsprozesse eine robuste Praferenz fur die syntaktisch einfachere Lesart der VP-Koordination zeigen, folgen Kinder bis zum 6. Lebensjahr einer semantischen Strategie, nach der sie die Verknupfung von Propositionen, also die semantisch einfachere Lesart der Satzkoordination, favorisieren. In der Ubergangsphase vom primar semantik- hin zum syntaxgesteuerten Verarbeitungsmodus, die sich bis ins 11. Lebensjahr erstreckt, berucksichtigen Kinder - wie die Ergebnisse verschiedener behavioraler Experimente dokumentieren - auch nicht-syntaktische Informationen (prosodische, lexikalisch-semantische und pragmatische), die Erwachsenen im initialen Parse infolge der hochautomatisierten syntaktischen Verarbeitung nicht mehr zuganglich sind. Diese empirischen Befunde sprechen dafur, dass das Sprachverarbeitungssystem von Kindern bis weit ins Schulalter hinein weniger auf automatisierte, formal-syntaktische Bedingungen gestutzt ist als das von Erwachsenen.