ISBN-13: 9783050043517 / Niemiecki / Twarda / 2007 / 347 str.
In der athenischen Demokratie des 5. Jahrhunderts besa jeder Burger das Recht, in Volksversammlungen zu reden, in der Praxis aber ergriff nur eine kleine Minderheit das Wort. Diese Manner wurden Demagogen genannt. Sie erfullten als politische Experten eine wichtige Funktion bei der demokratischen Entscheidungsfindung, indem sie das Volk in den Versammlungen mit Informationen versorgten, politische Konzepte vorstellten und alternative Handlungsoptionen aufzeigten. Nach herkommlicher Forschungsmeinung entstammten die Demagogen lange Zeit der alten Aristokratie; politische Macht habe auch in der Demokratie zunachst noch auf vornehmer Abkunft, Reichtum, uberlegener Bildung und adligen Freundeszirkeln beruht. Erst nach dem Tod des Perikles 429 v. Chr. hatten Aufsteiger mit populistischen Methoden Einfluss auf das Volk gewinnen konnen. In Auseinandersetzung mit dieser Position pladiert der Autor dafur, dass die Auftretensweise der Demagogen auch schon vor dieser angeblichen Zasur durch eine Inszenierung von Loyalitat gegenuber der Polis und dem Volk gepragt war. Zwar besaen alle Demagogen uberdurchschnittliche okonomische Ressourcen, doch in der politischen Kommunikation betonten sie gerade nicht ihre soziale Uberlegenheit, sondern verringerten symbolisch den Abstand zum einfachen Burger, etwa durch demonstrativen Verzicht auf eine luxuriose Lebensfuhrung und auf aristokratische Beziehungsnetze. Die politische Ordnung der athenischen Demokratie war eben gerade nicht in die traditionelle Sozialordnung eingebettet, sondern weitgehend von dieser losgelost. Eine Veranderung trat erst im vorletzten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts ein, als ein Anspruch auf politischen Einfluss zunehmend mit traditionellen aristokratischen Ressourcen begrundet wurde; dieser Prozess fuhrte schlielich zum Umsturz von 411.