ISBN-13: 9783486565812 / Niemiecki / Twarda / 2001 / 451 str.
Der Historiker Werner Conze, als Angehoriger der sogenannten Volksgeschichte in der Zwischenkriegszeit sozialhistorisch ausgebildet, verfolgte nach dem Kriege dezidiert das Projekt, die bislang von der Politikgeschichte dominierte Geschichtsschreibung auf Sozialgeschichte umzustellen. Er und einige befreundete Kollegen waren der Meinung, dass die tief greifenden gesellschaftlichen Veranderungsprozesse im Gefolge der Industrialisierung und des Aufstiegs des Kommunismus in Europa politikgeschichtlich nicht mehr angemessen zu verstehen seien, sondern neuer Untersuchungsmethoden bedurften. Die Erneuerung erforderte freilich geschickte strategische Arbeit. Die Historiker mussten in einem muhevollen Prozess vom Mehrwert einer sozialgeschichtlichen Herangehensweise uberzeugt werden, Sozialgeschichte setzte nicht sich durch, sie musste durch Historiker wie Conze aktiv propagiert und in der Historiographie etabliert werden. Gleichzeitig wird hinter dem Projekt der Sozialgeschichte ein spezifisches Weltbild sichtbar. Man erkennt, dass die Texte der fruhen Sozialgeschichte durch die Vorstellung, dass die Gesellschaft im Innern sozial harmonisiert und nach auen durch sichere, eindeutigen Grenzen geschutzt sein sollte, strukturiert wurden. Eine solche Gesellschaftsordnung bildete - wegen der personlichen Erfahrung andauernder gesellschaftlicher Instabilitat seit 1918 - das Ideal der Sozialhistoriker. Durch den Kommunismus sahen sie dieses Ideal permanent doppelt bedroht: im Innern durch soziale Revolutionen, von auen durch die Sowjetunion. Ihre Texte erweisen sich vor diesem Hintergrund als ein komplexes System ineinander verschachtelter und sich gegenseitig stutzender Deutungen, das die Legitimation des Kommunismus historiographisch eliminieren sollte. Sozialisation in der Zwischenkriegszeit, methodische Innovation und politisches Programm erweisen sich in der Sozialgeschichte der fruhen Bundesrepublik als unlosbar miteinander verknupft; ein in der Zwischenkriegszeit ausgebildetes Ordnungsdenken modernisierte und pragte inhaltlich wie methodisch die Historiographie der 1950er Jahre.
"Die Arbeit gewinnt ihre Überzeugungskraft vor allem durch die breite Anlage, die nicht nur personelle Konstellationen, inhaltliche Fragen und wissenschaftspolitische Grundlinien zusammenführt, sondern auch den Blick auf die Nachbardisziplinen Soziologie und Politikwissenschaft und die realen gesellschaftlichen Veränderungen mit einbezieht. [...] Durch seine intelligente Anlage, seine solide Fundierung durch Literatur und Archivalien und nicht zuletzt durch seine unprätentiöse Sprache hat dieses Buch die Messlatte für nachfolgende Arbeiten erfreulich hoch gelegt." Winfried Schulze, in: Süddeutsche Zeitung vom 29.11.2001 "Die Studie ist brillant konzipiert, quellenreich an Archivalien wie an veröffentlichten Quellen, theoretisch überzeugend fundiert und dabei gut lesbar." Peter Exner, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, 2002