»Historiker, * 30.11.1817 Garding bei Eiderstedt (Schleswig-Holstein), 1.11.1903 Berlin-Charlottenburg.Bis zum 17. Lebensjahr wurde M. zusammen mit seinen beiden jüngeren Brüdern vom Vater unterrichtet. Obwohl dieser Pfarrer war, zeigte M. ein durchgehend distanziertes Verhältnis zum Christentum und zum 'Wunderland Religion' überhaupt. 1834-38 besuchte er das Christianeum in Altona, 1838-43 studierte er an der Univ. Kiel, damals zu Dänemark gehörig, Rechtswissenschaft. Nach seiner Promotion über röm. Recht ging er mit einem dän. Stipendium nach Frankreich und Italien, wo er sich unter dem Einfluß von Bartolommeo Borghesi den Inschriften des Kgr. Neapel widmete. Während der Revolution 1848 wandte sich M. als Journalist gegen die dän. Ansprüche auf Schleswig-Holstein. Im gleichen Jahr erhielt er eine rechtswissenschaftliche Professur in Leipzig, die er 1851 verlor, als er mit Moriz Haupt und Otto Jahn gegen den sächs. Verfassungs-Oktroi protestierte. M. fand 1852 Aufnahme in Zürich, ging 1854 nach Breslau und kam auf Intervention Alexander v. Humboldts 1858 an die Berliner Akademie, deren korrespondierendes Mitglied er 1853 geworden war. 1874 wurde er Sekretär der Historisch-Philologischen Sektion und legte den Posten erst 1895 während des Antisemitismus-Streits mit Treitschke nieder. 1861-87 hielt M. - nie habilitiert - regelmäßig Vorlesungen (vier Wochenstunden) und Seminare (zwei Wochenstunden) an der Berliner Universität. Die Themen entstammten überwiegend seinem wichtigsten Forschungsgebiet, der röm. Kaisergeschichte. Zu seinen Schülern gehören O. Hirschfeld, H. Dessau, A. v. Domaszewski, O. Seeck, L. M. Hartmann und U. Wilcken. 1874/75 bekleidete M. das Rektorenamt.Als M. nach Berlin berufen wurde, hatte er schon 262 Publikationen vorgelegt, darunter seine Römische Geschichte (I-III, 1854-56), verfaßt auf Drängen der Verleger Hirzel und Reimer. Das Werk wurde schnell populär, trotz der Kritik durch D. F. Strauß, Bachofen und Gregorovius, und ist bis heute eines der meistgelesenen und meistübersetzten Geschichtswerke deutscher Sprache. Die ersten drei Bände behandeln die Röm. Republik unter dem Gesichtspunkt einer 'nationalen Einigung' Italiens und einer allmählichen Demokratisierung der res publica. Die Römer waren nach M. 'ein freies Volk, das zu gehorchen verstand, in klarer Absagung von allem mystischen Priesterschwindel, in unbedingter Gleichheit vor dem Gesetz und unter sich, in scharfer Ausprägung der eigenen Nationalität.' Mit dem Ausgreifen über Italien hinaus und der Proletarisierung, zumal der Landbevölkerung, schien für M. ein Zustand erreicht, dessen innere Probleme nur noch durch die Genialität Caesars zu lösen waren. Dieser war für M. wie für Hegel und Burckhardt der 'größte der Sterblichen.' Offen oder verdeckt zog er immer wieder Parallelen zu seiner eigenen Zeit, daher firmieren die Senatoren als 'Junkerklasse', die equites als 'Kapitalisten'. Diese 'Modernisierungen' wurden ihm sowohl von Marx als auch von Nietzsche verübelt. Dennoch versuchte M., nicht grundsätzlich anders als diese Autoren, Geschichte zu aktualisieren und in den Dienst einer politischen Pädagogik zu stellen. Dies wollte er auch durch scharfe Wertungen und prägnante Charakteristiken der handelnden Persönlichkeiten erreichen. Der dritte Band endet mit der Vollendung der Monarchie durch Caesars Sieg über die Republikaner ('Legitimisten') bei Thapsus 46 v. Chr. Nach langer Pause publizierte M. 1885 eine 'sine ira et studio' geschriebene Geschichte der röm. Provinzen in der Kaiserzeit unter dem Serientitel 'Römische Geschichte, Band V'. 1902 erhielt er für sein großes Werk aufgrund einer Eingabe berühmter Kollegen der Akademie den Nobelpreis für Literatur. Den vierten Band über die Röm. Kaisergeschichte hat M. nie geschrieben; über die Gründe ist schon unter den Zeitgenossen viel gerätselt worden. Einen gewissen Ersatz bieten die 1980 aufgefundenen Vorlesungsnachschriften der M.schen Kaisergeschichte von Sebastian und Paul Hensel. Sie