ISBN-13: 9781517340490 / Niemiecki / Miękka / 2015 / 218 str.
Die Deutschen sind - oder waren - das Volk der Dichter und Denker; aber eben auch das der Richter und Henker. Gerne wird dieses Bonmot zitiert, aber nur selten hat man sich im Ernst uber diesen Zusammenhang Gedanken gemacht; uber das eine oder andere Apercu ist man dabei kaum je hinausgekommen.
Eine der wenigen Ausnahmen ist Thomas Manns Alterswerk Doktor Faustus, das sich einer Musikerfigur bedient, um diesem Zusammenhang naher zu treten. Zugleich begibt sich der Leib- und Magendichter zweier deutscher Kriegsgenerationen schon allein durch den Titel auf das Feld der grossen deutschen Geistestragodie, das bereits ja ausserst prominent besetzt ist: durch Goethes Faust. Das Faustmotiv, dramatisiert zum wohl bedeutendsten Dokument deutscher Geistigkeit, soll also die Folie bilden, auf der Mann seine Gedanken entfaltet.
Die Interpretation fuhrt auf den alten, aber als ausserst tief greifend sich erweisenden Gegensatz von christlichem (vor allem lutheranischem) und humanistischem Denken. Dieser Gegensatz schreibt sich letztlich daher, dass das christliche Denken mit dem Makel einer Erbsunde, einer inneren Negativitat - oder eines unvermeidlichen Teufelspakts - anzuschwarzen sucht, was dem Humanismus schlechthin das Hochste und Positive ist, das es nur massvoll und besonnen zu bilden gilt: das Wesen des Menschen.
Das ganz Erstaunliche des Doktor Faustus besteht nun eben darin, dass hier ein sehr prononcierter bildungs- und gesittungsstolzer Humanismus sich hier im Angesicht der Katastrophe mit dem erzchristlichen Sundenmotiv zu bedienen oder in gewisse Kontinuitat zu setzen sucht, und zwar nicht irgendwie beilaufig, sondern im Titel des Werkes. Heisst dies nicht fur den Dichter selbst, den Teufelspakt zu wagen?"