ISBN-13: 9783050051017 / Niemiecki / Twarda / 2011 / 571 str.
"Wir kennen die Welt nicht, in der wir leben." Sein Leben lang hat Ernst Forsthoff (1902-1974) sich als heroischen Realisten dargestellt. Gepragt vom jungkonservativen Widerstand gegen die Weimarer Republik, im Einflufeld Carl Schmitts und Ernst Jungers sozialisiert und durch sein kurzzeitiges Eintreten fur den "totalen Staat" Hitlers lebenslang belastet, wurde Forsthoff spater zu einem der bedeutendsten deutschen Juristen und Staatsdenker des 20. Jahrhunderts. Die Zerstorung des burgerlichen Paradigmas im Offentlichen Recht durch die "elementaren Machte" der Moderne wurde seit der epochemachenden Schrift uber "Die Verwaltung als Leistungstrager" aus dem Jahr 1938 zu seinem Lebensthema. Er gilt als Entdecker der staatlichen "Daseinsvorsorge" und als scharfsinniger Verfechter eines formalen, institutionenbezogenen Rechtsstaatsbegriffs. Aber Forsthoffs Werk enthalt viel mehr als Dogmengeschichte, es ist ein Schlussel zur politischen Ideen- und Verfassungsgeschichte seiner Zeit. Florian Meinels grundlegende werkgeschichtliche Untersuchung fragt nach verborgenen Bedeu-tungsschichten: Nach den geistigen Einflussen, die in diesem Werk wirksam gewesen sind, nach den rechtsphilosophischen und politischen Uberzeugungen, die es tragen, nach der Auffassung vom Ethos des Juristen. Dies geschieht auf der Basis einer Fulle neuer Quellen, insbesondere des bisher unbekannten Nachlasses Forsthoffs. In der systematischen Rekonstruktion von Forsthoffs Denken wird seine bisher kaum bekannte Rechtsphilosophie aus den Jahren des Zweiten Weltkrieges in ihren Zusammenhangen sichtbar, seine Naturrechtskritik und seine von der Sprache ausgehende Begrundung einer Rechtsphilosophie der Institutionen. Der Kern des fundamentalen Paradigmenwechsel zum "Leistungsstaat" lag fur Forsthoff in der strukturellen Auflosung der burgerlichen Distanz zwischen Individuum und Staat in der modernen industriellen Gesellschaft. Um diese Aufhebung der rechtlichen Subjektivitat kreist sein gesamtes Werk. Forsthoffs Frage war die ungeloste Verfassungsfrage des 20. Jahrhunderts.